Nobelpreisträger des Tages: Mario Vargas Llosa
Junge Welt 08.10.2010
Nach Herta Müller im
vergangenen Jahr bekommt nun der Peruaner Mario Vargas Llosa den
Literaturnobelpreis. Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki nannte die
diesjährige Auswahl »sehr erfreulich«, die meisten Entscheidungen über den Preis
seien in den letzten zehn Jahren ziemlich unseriös gewesen. Und tatsächlich:
Mario Vargas Llosa kann schreiben und hat deshalb diese Auszeichnung sicherlich
eher verdient als Barack Obama im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis. Denn
während letzterer mehr für Krieg als für Frieden steht, hat es Vargas Llosa in
60 Jahren immerhin auf gut 30 Romane, Theaterstücke und Essays gebracht.
Allerdings ist der heute 74jährige, der einst die
kubanische Revolution unterstützt und marxistischen Positionen nahegestanden
hatte, zumindest in den letzten Jahren weniger durch neue Werke als vielmehr
durch eine immer offenere Parteinahme für die internationale Reaktion
aufgefallen. Anfang Januar trat er in Chile bei Wahlkampfveranstaltungen für die
in blutiger Tradition stehende chilenische Rechte auf. Er bewundert José María
Aznar, der Spanien an der Seite von Bush und Blair in den Irak-Krieg getrieben
hatte, als »einen der größten Staatsmänner der Geschichte«. Wenige Tage vor der
Parlamentswahl in Venezuela wetterte er am 19. September in der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung, es sei »schwierig, heutzutage in Venezuela freie Wahlen
abzuhalten«. Chávez wolle Venezuela »ein System aufzwingen, das überall auf der
Welt zusammengebrochen ist und nur noch auf Kuba und in Nordkorea existiert«.
Womit zumindest bewiesen wäre, daß dieser Mann über ausreichend Phantasie
verfügt, um eine »Kartographie von Machtstrukturen« und »Bilder des Widerstands,
der Revolte und der Niederlage des einzelnen« zu verfassen, wie das
Nobelpreiskomitee als Begründung für die Auszeichnung mitteilt. (scha)
Quelle: http://www.jungewelt.de/2010/10-08/041.php