Uruguays Frente formiert sich
Exguerillero José Mujica als Präsidentschaftskandidat des Linksbündnisses gewählt
Von Stefan PetersMit der Bestimmung der Präsidentschaftskandidaten der uruguayischen
Parteien in den Vorwahlen vom vergangenen Sonntag, ging die erste Etappe
eines langen Wahlkampfs in Uruguay zu Ende. 2,6 Millionen Wahlberechtigte
waren aufgerufen, jeweils innerhalb einer Partei ihren Favoriten für die am
25. Oktober stattfindenden Präsidentschaftswahlen auszuwählen. Die
Wahlbeteiligung bei den »internas« blieb mit zirka 40 Prozent deutlich
hinter den Erwartungen zurück. Größere Überraschungen blieben aus.
Daß es einen Personalwechsel im höchsten Staatsamt geben wird, war bereits
vor dem Sonntag sicher. Der amtierende Präsident Tabaré Vázquez (Frente
Amplio/FA) entschied sich dagegen, den Weg einer Verfassungsänderung
einzuschlagen, um sich eine Wiederwahl zu ermöglichen. Die Entscheidung um
den nächsten Präsidentschaftskandidaten der regierenden Linkskoalition mußte
nun zwischen dem Exguerillero der Tupamaros José »Pepe« Mujica und dem
ehemaligen Wirtschafts- und Finanzminister (2005–2007) Danilo Astori
ausgefochten werden. Wie erwartet setzte sich Mujica mit 52 Prozent der
Stimmen gegen seinen innerparteilichen Kontrahenten Astori durch, der knapp
40 Prozent erhielt. Der dritte Kandidat, Marcos Carámbula, blieb mit acht
Prozent chancenlos. Sichtlich bemüht, die vorausgegangenen parteiinternen
Auseinandersetzungen zu vergessen, widmete Mujica seine ersten Worte auf der
Pressekonferenz dem unterlegenden Astori, der aus gesundheitlichen Gründen
nicht teilnehmen konnte. »Der einzige, der hier fehlt, ist unser kranker
Compañero. Wir brauchen seine Anwesenheit, sein Engagement, seine
Beteiligung und alles, was er repräsentiert, für alles, was noch zu tun
ist.« Er bot Astori indirekt an, als Kandidat für das Amt des
Vizepräsidenten in den Wahlkampf ziehen.
Beide Politiker gehörten schon vor der Kabinettsumbildung Anfang 2008 der
Regierung an und trugen die pragmatische Politik der Regierung Vázquez mit.
Mujica vertritt einen national-populären Kurs, fordert stärkere staatliche
Eingriffe in die Wirtschaft, setzt sich für eine Ausweitung des
Bildungssektors ein und repräsentiert mit seiner politischen Vergangenheit
die traditionellen Werte seiner Partei als soziale Bewegung. Im Vorwahlkampf
fiel er jedoch auch mit autoritären Äußerungen zur inneren Sicherheit auf.
Astori hingegen steht für einen pragmatischen, sozial-liberalen Kurs und
spricht sich unter anderem für eine Zusammenarbeit mit den internationalen
Finanzorganisationen und den Abschluß eines Freihandelsvertrags mit den USA
aus.
Die Tatsache, daß die oppositionelle Partido Nacional (PN) in ihren »internas«
ähnlich viele Wähler mobilisieren konnte wie die FA, nährten indes erneut
Befürchtungen innerhalb der Frente, daß die Wahlen im Oktober mit einer
Niederlage für die Mitte-Links-Regierung enden könnten. Daß trotz hohen
Wirtschaftswachstums, Reduzierung der Armutsrate und Verringerung der
Arbeitslosigkeit die Wiederwahl der FA in Frage steht, liegt sowohl an der
Enttäuschung seitens relevanter Teile der Parteibasis über fehlendes Tempo
und zu geringe Reichweite der Reformen als auch daran, daß es nicht gelang,
einen Kandidaten zu finden, der die verschiedenen Strömungen innerhalb der
FA integrieren kann.
Antreten wird Mujica gegen die Kandidaten der beiden traditionellen
Parteien, bei denen sich wie erwartet Expräsident Luis Alberto Lacalle
(1990–1995) von der (PN) und Pedro Bordaberry von der Partido Colorado (PC)
durchsetzen konnten. Beide Kandidaten vertreten ein eindeutig neoliberales
Programm. Alles deutet auf eine Entscheidung zwischen Mujica und Lacalle
hin. Aussichten auf einen Sieg im ersten Wahlgang werden nur Mujica
eingeräumt. Der Ausgang einer möglichen Stichwahl ist hingegen offen.
Uruguay steht vor einer politischen Richtungsentscheidung. Mujica würde eher
eine Kontinuität der aktuellen Regierungspolitik als einen radikalen Wandel
bedeuten. Mit Lacalle hingegen stünden einige der sozialpolitischen
Errungenschaften der aktuellen Regierung zur Disposition.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2009/07-01/029.php